Weihnachtsfriede an der Front
"Und was ist, wenn das einer der Kriege wird, die
hundert Jahre dauern?" "Das wird kaum so sein, Johnny", sagte
er. "Wir werden immer besser in der Kunst der Kriegsführung. Kriege laufen
heute wie Maschinen - immer schneller und reibungsloser." "Mir wäre es
lieber, wenn wir besser würden in der Kunst, keine Kriege zu führen",
sagte ich. "Das ist ein edler Gedanke, Johnny", sagte Mr. Tuttle.
(Lawrence, S. 198)
Als Lehrerin für Geschichte bin ich immer auf der Suche nach Jugendromanen,
denen es gelingt, auf ihre ganz eigene, meist sehr berührende Weise, vergangene
Zeiten und Ereignisse begreifbar und anschaulich zu machen. Kürzlich wurde ich
fündig bei Winterpony-Autor Iain Lawrence, der bereits 2004 ein Buch mit dem
historischen Hintergrund des Ersten Weltkriegs vorlegte. Johnny ist der einzige
Sohn eines Spielzeugmachers und dessen Frau in London; der Roman spielt im
ersten halben Jahr des Krieges. Noch prägt Kriegsbegeisterung Land und
Menschen, der Vater kann es nicht erwarten selbst an die Front zu kommen.
Johnnys Mutter arbeitet im Arsenal in der Produktion von Waffen. Angesichts der
immer brenzligeren Situation in London wird der Bub schließlich zu einer Tante
aufs Land geschickt, mit den Eltern bleibt er lediglich über Briefe verbunden.
Mit dabei hat er die vom Vater gefertigten Soldaten, genannt
"Nussknacker" und sein Heer wächst mit jedem Brief, denn der Vater
schickt stets neue aus Holz geschnitzte Figuren. Trotz Regen und Kälte
verbringt Johnny Stunden um Stunden im Garten seiner Tante und spielt
Schlachten, Stellungskrieg und Angriffe nach. Und ist sich sicher: Weihnachten
1914 wird der Krieg vorbei sein, wird die kleine Familie wieder vereint feiern
können. Verbissen und verzweifelt versucht er, das Geschehen von zu Hause aus
zu beeinflussen, während der Krieg immer näher rückt.
Iain Lawrence, Der Herr der Nussknacker, Verlag Freies Geistesleben 2004, ab 11 Jahren.